5th Meeting / Fünfte Zusammenkunft

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Toleranz aus Glauben@ Identitat und Toleranz im Horizont religioser Wahrheitsgewissheiten

Dr. Prof. Christoph Schwöbel, Universität Heidelberg

zum Japanische

1. Religiös-weltanschaulicher Pluralismus: der Ernstfall der Toleranz

Die Frage der Toleranz - die Frage, ob Ü;berzeugungen und Handlungen, die mit guten Gründen abgelehnt werden, dennoch ertragen werden können, und den Personen, die sie vertreten und ausführen, Anerkennung entgegengebracht werden kann, die ihnen zugesteht, ihre Überzeugungen zu vertreten und ihnen entsprechend zu handeln - stellt sich in der Situation des religiös-weltanschaulichen Pluralismus in radikaler Form(1). Wie diese Frage beantwortet wird, entscheidet sich daran, ob die Differenz zwischen dem Eigenem und dem Fremden ausgehalten werden kann, ohne dass die eigene Identität und Überzeugung dadurch kompromittiert wird und ohne dass die Identität des Anderen dadurch verneint wird und die fremden Überzeugungen ihres Wahrheitsanspruchs beraubt werden. Als religiös-weltanschaulicher Pluralismus kann die Situation einer Gesellschaft bezeichnet werden, in der unterschiedliche religiöse und weltanschauliche Basisorientierungen in Koexistenz und auch in Konkurrenz existieren. (2) Der Pluralismus der Religionen und Weltanschauungen ist in vielen Ländern der Erde am Beginn des 21. Jahrhunderts eine alltägliche Erfahrung. (3) Die Vielfalt der Lebensorientierungen und Lebensstile begegnet uns in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Die Kultur der Gesellschaft ist vom Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturen bestimmt, die Gesellschaft wird zu einem Komplex unterschiedlicher Gemeinschaften. Kulturelle, weltanschauliche und religiöse Vielfalt begegnet nicht mehr vorrangig ausserhalb der Grenzen der Gesellschaft, sondern innerhalb ihrer Grenzen in den konkreten Situationen des Zusammenlebens. Der ferne Fremde ist zum Nachbarn geworden. Es gibt darum kein klar bestimmtes Verhältnis einer Mehrheit zu einer Anzahl von Minderheiten, vielmehr erscheint die Gesellschaft als Ort der Begegnung grösserer oder kleinerer Minderheiten, in der jede Mehrheit im Konsens der Minderheiten gewonnen werden muss. Übereinstimmung über die grundlegenden Wertorientierungen kann nicht mehr vorausgesetzt werden, vielmehr muss jede Orientierungsfrage in allen Bereichen des Lebens neu ausgehandelt werden.

In Europa ist diese Situation das Ergebnis einer langen Geschichte von Pluralisierungsprozessen, die mit der Reformation begann. In der Reformation traten an die Stelle der einen allumfassenden christlichen Kirche, zwei Kirchen, zwei Religionen, wie man im 16. Jh. sagte. Der Pluralisierungsimpuls setzte sich in den protestantischen Kirchen fort, die von Anfang an als Pluralität auftraten und sich durch Spaltungen und Unionen ausbreiteten. Die Erfahrung der Religionskriege demonstrierte das destruktive Potential einer für territoriale Machtinteressen instrumentalisierten Religion und machte die Frage der Toleranz zu einer Lebensbedingung sowohl für das Zusammenleben von Gesellschaften unterschiedlicher konfessioneller Prägung als auch für das Zusammenleben in einer konfessionell pluralen Gesellschaft. Die Toleranzkonzepte, die vor dem Hintergrund dieser Erfahrung entwickelt wurden, gehen von einem die Gesellschaft zusammenhaltenden Fundamentalkonsens in religiösen und ethischen Überzeugungen aus. Auf der Basis dieses Fundamentalkonsenses kann der religiöse Dissens toleriert werden, solange er auf den Bereich der privaten Religionsausübung beschränkt wird und die Basis des gesellschaftlichen Lebens nicht in Frage stellt. Die Trennung zwischen allgemeinen Fundamentalartikeln, die den gesellschaftlichen Konsens beschreiben, und den besonderen religiösen Überzeugungen führte in der Konsequenz dazu, dass die Grundlagen des Staatslebens nicht mehr religiös bestimmt wurden, nachdem die aufklärerische Vernunft als die Begründung des Allgemeinkonsenses in Anspruch genommen wurde. Die Trennung von Kirche und Staat, die sich in dieser Unterscheidung schon anzeigt, leitete so die weltanschauliche Neutralität des Staates und die Privatisierung der Religion ein. In Nordamerika ist diese Trennung nicht der Schlusspunkt eines langen geschichtlichen Differenzierungsprozesses, sondern die in der Verfassung festgeschriebene Grundbedingung eines pluralistischen Staatswesens. Die Religionsgeschichte Nordamerikas zeigt allerdings, dass die Relegation des Religiösen in den Bereich des Privaten die öffentliche Wirksamkeit religiöser Überzeugungen gerade nicht einschränkt. Vielmehr wirken religiöse Überzeugungen im Rahmen der religiösen Neutralität des Staates aus dem privaten Bereich in den öffentlichen Bereich hinein. Die Freigabe aus den Bindungen staatlicher Institutionen erscheint so als Bedingung und nicht als Hindernis ihrer öffentlichen Wirksamkeit.

Der Pluralismus, der in Deutschland spätestens seit 1918 das politische System durch den politischen Pluralismus der Parteien bestimmt, hat sich im 20. Jahrhundert auf alle Bereiche des Lebens ausgedehnt. Die Versuche der antipluralistischen Ideologien des Nationalsozialismus und des Staatssozialismus, das gesellschaftliche Leben auf eine einheitliche und für alle Gesellschaftsmitglieder verpflichtende weltanschauliche Grundlage zu stellen, haben nicht nur die zerstörerischen Konsequenzen eines weltanschaulichen Totalitarismus demonstriert, die mit der Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen auch die Toleranz aufhebt. Durch ihr Scheitern haben sie neue und radikalere Pluralisierungsprozesse freigesetzt.

Die Migrationsbewegungen im letzten Drittel des 20. Jh., die Millionen von Menschen aus Gründen wirtschaftlicher Not, politischer Unterdrückung, ethnischer Verfolgung oder geschlechtsspezifischer Diskriminierung in Länder brachte, in denen sie sich Freiheit von Unterdrückung, wirtschaftliche Überlebenschancen und kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten versprachen, führten zu einer Intensivierung des religiös-weltanschaulichen Pluralismus. Konfrontiert mit den faktischen Integrationsanforderungen der Einwanderungsgesellschaften ist für viele Immigranten die verstärkte Rückbesinnung auf die eigenen kulturellen und religiösen Traditionen ein entscheidendes Element der Identitätsbewahrung. Diese äusseren Faktoren der Pluralisierung entfalten ihre volle Wirksamkeit im Zusammenspiel mit den inneren Pluralisierungsfaktoren. In ihrem kumulativen Effekt machen sie die Frage der Gewinnung und Bewahrung von Identität und die Frage der persönlichen und gesellschaftlichen Toleranz zu einem Kernthema pluralistischer Gesellschaften.

Die Situation des religiös-weltanschaulichen Pluralismus konfrontiert alle Mitglieder der Gesellschaft mit der Frage der persönlichen Identität und der Identität der sozialen Gruppe, der sie angehören. Die Begegnung mit dem fremden Anderen, sei es die andere Person, sei es die andere Gruppe wirft die Frage nach der eigenen Identität auf. Die Frage âWer bin ich?á radikalisiert sich zum zentralen Lebensproblem, wenn sie nicht mehr durch den Verweis auf die selbstverständliche Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beantwortet werden kann. Die Frage âWer sind wir?á radikalisiert sich angesichts der Begegnung mit anderen sozialen Gruppen, die eine andere, fremde soziale Identität repräsentieren. Die Frage der Identität hat auch eine religiöse oder weltanschauliche Tiefendimension. Sie zielt auf das, was Menschen in den unterschiedlichen sozialen Rollen, die sie spielen müssen, in den Funktionen, die sie im gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, als Grund und Ziel ihres Daseins in Anspruch nehmen. Ebenso definieren soziale Gruppen ihren Zusammenhalt durch die in ihnen geteilten Grundüberzeugungen. Umgekehrt haben religiöse und weltanschauliche Überzeugungen immer einen tiefgreifenden Einfluss auf die Frage der Identität entfaltet, weil sie die Frage der Identität im Horizont von Basisüberzeugungen über Grund, Sinn und Ziel des menschlichen Daseins beantworten und in den religiösen Traditionen, im Mythos, im Kultus und im Ritus Institutionen der Identitätsvergewisserung anbieten. Darum bedienen sich politische Ideologien, die auf Identitätssicherung abzielen wie z.B. der Nationalismus, umfassend des Repertoires religiöser Ausdrucksmittel - vom Mythos bis zum Kult.

Die Frage der Toleranz des Anderen steht stets im Zusammenhang mit der Frage der eigenen Identität. Auch sie stellt sich in besonders radikaler Form im Blick auf religiöse und weltanschauliche Überzeugungen. Die Geschichte des Toleranzproblems tritt darum mit besonderer Deutlichkeit in der Religionsgeschichte hervor. Die Geschichte der Toleranz ist die Geschichte der Religionsfreiheit. Die radikalste Herausforderung der eigenen Identität ist die Konfrontation mit fremden Glaubensüberzeugungen, die die Grundlagen der eigenen Identität in Frage stellen. Die Frage der Toleranz begegnet darum in der schärfsten Form in Bezug auf die Toleranz fremder religiöser Überzeugungen und fremder Religionsgemeinschaften. Allerdings zeigt sich hier auch die Dialektik von Identität und Toleranz. Intoleranz ist in der Regel nicht ein Zeichen einer gefestigten sozialen oder persönlichen Identität, sondern das Symptom einer Identitätskrise, die durch die radikale Ablehnung des fremden Anderen bewältigt werden soll. Umgekehrt setzt die Tugend der Toleranz eine Identität voraus, die sich ihrer selbst so gewiss ist, dass sie die Identität des Anderen respektiert und ihre Entfaltung toleriert.

Die Situation des religiös-weltanschaulichen Pluralismus bringt darum eine zweifache Herausforderung mit sich. Auf der einen Seite sind pluralistische Gesellschaften darauf angewiesen, dass in ihnen Toleranz gegenüber dem Anderen geübt wird. Auf der anderen Seite ist dies nur möglich, wenn es in pluralistischen Gesellschaften Möglichkeiten der Identitätsgewinnung und Identitätsvergewisserung gibt, die zur Ausbildung von stabilen, toleranzfähigen Identitäten beitragen. Identitätsbildung und Bildung zur Toleranz bedingen sich gegenseitig. Den Kirchen und Religionsgemeinschaften kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. In ihnen muss sich beides vollziehen: die Ausbildung von Identitäten, die die Begegnung mit dem Anderen nicht als Bedrohung der eigenen Identität fürchten müssen, und die Bildung zur Toleranz, die den Anderen als Anderen respektiert.

Die Verantwortung der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist darum nie nur eine Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die Erhaltung und Pflege der gesellschaftlichen Strukturen, in denen freie Identitätsbildung und verantwortliche Praxis der Toleranz möglich sind. Die Grenzen der Toleranz sind immer dort erreicht, wo die Bedingungen der Praxis von Toleranz von einzelnen oder von Gruppen der Gesellschaft zerstört werden. Die Form von Toleranz, die von allen gesellschaftlichen Gruppen und allen Mitgliedern einer Gesellschaft unbedingt gefordert werden muss, ist darum die Toleranz gegenüber den Gesellschaftsstrukturen, die die Ausübung von Toleranz ermöglichen, d.h. Toleranz gegenüber der Verfassung und ihrer gesellschaftlichen Verwirklichung. Diese Wechselbeziehung lässt sich auch positiv formulieren: Je mehr Toleranz innerhalb eines Gesellschaftssystems geübt wird und je mehr Möglichkeiten sich in ihm zur eigenen Identitätsbildung und Identitätsvergewisserung bieten, desto mehr wächst die positive Identifikation mit dieser Gesellschaft, ihren Rechtsgrundlagen und ihren Institutionen.

In religiös-weltanschaulich pluralistischen Gesellschaften herrscht ein dialogischer Imperativ. Der Dialog der Religionen und Weltanschauungen ist nicht eine Option, auf die auch verzichtet werden könnte, sondern die Bedingung des Überlebens einer pluralistischen Gesellschaft. Nur im Dialog können die handlungsleitenden Gewissheiten und Überzeugungen der einzelnen Gesellschaftsglieder und der gesellschaftlichen Gruppen in der Gesellschaft transparent gemacht werden. Und nur so können die Faktoren, die die Entscheidungsfindungsprozesse einer Gesellschaft bestimmen, für sie transparent werden. Der Dialog ist sowohl eine Vorbedingung von Toleranz als auch ihre wichtigste Vollzugsform. Toleriert werden kann nur das bekannte Fremde, das unbekannte Fremde bleibt bedrohlich und kann nicht toleriert werden. Es ist schon ein entscheidender Schritt in der Praxis der Toleranz, den Anderen zur Sprache kommen zu lassen und ihm die Darstellung seiner Überzeugungen selbst zu ermöglichen. Ebenso ist es ein entscheidender Schritt in der Ausbildung der eigenen Identität, diese nicht nur in der eigenen Gemeinschaft, sondern gegenüber anderen zu präsentieren, indem die Überzeugungen, die das eigene Verhalten prägen, offen gelegt werden. Die öffentliche Vertretung im Dialog ist eine Bedingung für die vertretbare Identität, die Toleranz gewährt und Toleranz fordert. Der Dialog - gerade der Dialog der religiös-weltanschaulichen Basisüberzeugungen - ist der Weg zur Einsicht in die Wechselseitigkeit der Toleranz, die wechselseitige Anerkennung ermöglicht.

2. Globalisierung: Identitätskrisen durch aufgezwungene Toleranz?

Die Globalisierung, die weltweite Vernetzung des Globus durch elektronische Kommunikationssysteme und die dadurch ermöglichte globale wirtschaftliche und politische Interaktion, ist am Anfang des 21. Jahrhunderts der neue Kontext, in dem sich die Frage von Identität und Toleranz stellt. (4) In der Diskussion über die Globalisierung lassen sich zwei Phasen unterscheiden, von denen die erste die positiven Potentiale der Globalisierung betont, die zweite sich auf die negativen Konsequenzen der Globalisierung konzentriert. Der Januskopf der Globalisierung, ihre Ambivalenz von Segen oder Fluch, ist dadurch in den Vordergrund der Aufmerksamkeit getreten. Das gilt besonders auch für die Fragen von Identität und Toleranz.

Es ist wohl richtig, dass Globalisierung zunächst ein Kommunikationsphänomen ist. Die elektronischen Kommunikationsmedien haben alle Orte dieser Erde potentiell in einer kommunikativen Gleichzeitigkeit zusammenwachsen lassen. Räuml;iche Distanz spielt im elektronischen Weltdorf keine Rolle mehr. Dadurch haben sich wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten eröffnet, die den Globus zu einem universalen Marktplatz werden lassen. Produktion und Konsumption können im Weltmassstab arrangiert werden. Die âglobal playersá unter den Wirtschaftsunternehmen haben diese Chance schnell erkannt und ihre Produkte haben eine globale Omnipräsenz erreicht, die vordem nur Göttern und Dämonen vorbehalten waren.

Diese rasant verlaufende Entwicklung hat viele Fragen aufgeworfen: Haben auf Nationalstaaten aufbauende Regierungssysteme noch genügend politische Steuerungsmöglichkeiten in der globalisierten Situation? Oder haben sich die faktischen Gestaltungsmöglichkeiten von den Regierungen zu den global operierenden Wirtschaftsunternehmen verschoben? Welche politische und gesellschaftliche Verantwortung kommt damit auch den Wirtschaftsunternehmen zu, denen auch im wohlverstandenen Eigeninteresse an einer Pflege der gesellschaftlichen Verhältnisse gelegen sein muss? Bietet das auf Verträgen zwischen den Nationalstaaten aufbauende Völkerrecht hinreichende Rechtssicherheit in der globalen Situation? Welche Rolle werden Nichtregierungsorganisationen spielen, die auf internationaler Basis operieren? Können unsere kulturellen Verständigungsmöglichkeiten mit der Ausweitung des Kommunikationsnetzes Schritt halten? Oder wird es globale Kommunikation ohne wirkliche Verständigung geben?

Klar ist jedenfalls, dass die Inklusion im Netzwerk globaler Kommunikation eine scharfe Exklusion für alle bedeutet, die vom Zugang zu den Kommunikationsmedien ausgeschlossen sind. Ausschluss von den Kommunikationsmedien bedeutet Ausschluss von allen Möglichkeiten der Partizipation am globalen Austausch von Waren, Gütern und Dienstleistungen, Ausschluss vor allem von den Möglichkeiten der Mitgestaltung der eigenen Lebenssituation. Kommunikationsausschluss ist zugleich immer Ausschluss von bestehenden Bildungschancen. Könnte es sein, dass ganze Volksgruppen und Gesellschaften auf diese Weise in der Situation der Globalisierung alle aktiven Gestaltungsmöglichkeiten verlieren und zu Opfern des Globalisierungsprozesses werden? Ausschluss von den Kommunikationsmöglichkeiten ist im Zeitalter der Globalisierung die radikalste Form der Armut, die alle anderen Formen der Armut nach sich zieht.

Klar ist ebenso, dass die Allgegenwart von Gebrauchsgütern der westlichen Welt in vielen nicht-westlichen Gesellschaften als ein Zeichen der kulturellen Überfremdung empfunden werden muss, die eine radikale Infragestellung der eigenen Identität bedeutet. (5) Was bleibt von der eigenen kulturellen Identität, wenn die Symbole einer fremden kulturellen Identität allgegenwärtig werden? Wenn die Situation der Globalisierung schon in den europäischen und nordamerikanischen Gesellschaften, die sie als vorläufigen Höhepunkt einer langen Geschichte der Modernisierung erfahren, Identitätskrisen auslösen, wie muss sie dann in Gesellschaften erfahren werden, die an diesem Modernisierungsprozess erst einige Jahrzehnte lang teilhaben. Globalisierung bedeutet eine so dramatische Beschleunigung der Modernisierungsprozesse, dass die Geschwindigkeit der Anpassung an die neuen Verhältnisse ebenso dramatisch zurückbleiben muss.

Betrachten wir die Globalisierung unter der Fragestellung nach dem Verhältnis von Toleranz und Identität, erscheint es aus der Perspektive der nicht-westlichen Kulturen so, als werde von ihnen Toleranz gegenüber dem wirtschaftlichen Vordrängen des Westens gefordert, das zugleich die Symbole westlicher Kultur zur kulturellen Leitwährung der nicht-westlichen Kulturen macht. Die erzwungene Toleranz führt zum Gefühl einer massiven Identitätsbedrohung, die sich im Protest gegen die Globalisierung äussert. Radikale Intoleranz - von dem Versuch der vollständigen Selbstabschliessung bis zur terroristischen Gewalt - kann so zur Folge der erzwungenen Toleranz werden. Verselbstständigt sich diese Dynamik, ist es nicht auszuschliessen, dass es Tendenzen gibt, die auf einen Konflikt der Kulturen hinauslaufen.

Allerdings entgeht auch der Protest gegen die Globalisierung nicht dem Muster der Globalisierung. Globalisierungskritik ist genauso global wie die Globalisierung selbst. In der Konsequenz führt das zu einer Globalisierung der Intoleranz. Greift die Globalisierungskritik zum Mittel terroristischer Gewalt - und das scheint zumindest ein Aspekt des Terroranschlags vom 11. September zu sein - stellt sie auch eine globale terroristische Bedrohung dar. Wie kann ihr langfristig begegnet werden? Die Globalisierung kann nicht zurückgenommen werden. Wie aber kann sie so gestaltet werden, dass sie durch die erzwungene Toleranz nicht in immer tiefere Identitätskrisen führt, die sich wieder in radikaler Intoleranz äussert? Die Konzepte zur „global governance" werden sich auch daran messen lassen müssen, welche Antworten sie auf diese Frage bereithalten.

3. Die Religionen im Spannungsfeld von Säkularismus und Fundamentalismus

Die Religionen sind von der Globalisierung und ihren Folgen sehr weitgehend betroffen. Betrachtet man die Religionsgeschichte, so erscheint etwa das Christentum als missionarische Religion von Anfang an auf globale Ausbreitung ausgerichtet. Religionen, die sich ursprünglich kaum als missionarische Religionen verstanden haben wie etwa der Hinduismus, bilden durch den Kontakt mit dem Christentum und seiner Mission missionarische Impulse aus und zielen dann ebenso auf globale Ausbreitung.

Unter dem Druck der Globalisierung als der weltweiten Ausbreitung der Modernisierung hat sich in vielen Religionen eine neue und hochbrisante Dialektik von Säkularismus und Fundamentalismus ausgeprägt. Der Begriff âFundamentalismusá - das sollte nicht vergessen werden - begann seine Karriere als Selbstbezeichnung christlicher Gruppen, die sich im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert gegen die Infragestellung christlicher Glaubenswahrheiten durch die historische Kritik und die darwinistische Evolutionstheorie zur Wehr setzten. (6) Als Antwort auf diese Bedrohung stellten sie âfive fundamentalsá auf, die sie für unaufgebbare Positionen des christlichen Glaubens erklärten. Der erste Punkt, die Behauptung der Irrtumslosigkeit der Bibel, ist die Begründung aller weiteren (der Jungfrauengeburt, des stellvertretenden Sühnopfers, der leiblichen Auferstehung und der Wiederkunft Christi). Auch in der Übertragung auf andere Religionen wie den Islam und das Judentum behält der Fundamentalismus seine entscheidenden Kennzeichen. Fundamentalismus ist immer eine Reaktion auf eine befürchtete Identitätsbedrohung - zumeist in der Gestalt des Säkularismus, der religiöse Wahrheitsansprüche zu unterminieren und eine Zerstörung der religiösen Kultur mit sich zu bringen scheint. Bei dieser Reaktion übernimmt der Fundamentalismus die Agenda der säkularistischen Religionskritik und kehrt sie um. Die angegriffenen Aspekte der eigenen Religion werden zu âidentity markersá der wahren Religion umstilisiert. Darum nennt der christliche Fundamentalismus die Irrtumslosigkeit der Bibel als ersten Fundamentalpunkt, zählt aber z.B. die christliche Trinitätslehre überhaupt nicht unter die Fundamentalpunkte des Christentums. So erklärt sich, warum im islamischen Fundamentalismus das Tragen des Schleiers von Frauen als âidentity markerá fungiert, obwohl es wohl kaum zu den fünf Säulen des Islam zu rechnen ist. Das als Bedrohung erfahrene Fortschreiten des Säkularismus, das als Relativierung aller religiösen Wahrheitsansprüche und damit als akute Identitätsbedrohung erfahren wird, bringt die fundamentalistische Reaktion hervor. Dadurch aber führt der Fundamentalismus zu einer Verzerrung der Religion, die er verteidigen will. Die Aspekte der Religionspraxis oder der Glaubenslehre, die im Fundamentalismus für fundamental erklärt werden, weil sie in der Abwehr der säkularistischen Herausforderung als âidentity markersá fungieren, sind mit den Massstäben der religiösen Tradition gemessen kaum als fundamental zu bezeichnen.

Die fundamentalistische Reaktion auf die als Identitätsbedrohung erfahrene Globalisierung macht sich darum gerade an den Punkten fest, die einen maximalen Kontrast zur Überfremdung mit westlichen Kulturwerten darstellen. Am Beispiel des Afghanistan der Taliban konnte man studieren, wie das Tragen von Bärten für Männer oder von Ganzkörperschleiern für Frauen wird zum Fanal der Identitätsbehauptung gegen den westlichen Kultureinfluss wurde. Dem religiösen Fundamentalismus ist kaum zu begegnen, indem man ihm die in dem Universalitätsanspruch der aufklärerischen Vernunft begründeten Menschenrechte entgegenhält. Das muss - zumindest aus der Perspektive der Fundamentalisten - als Konfrontation des religiösen Fundamentalismus mit einem säkularen Fundamentalismus erscheinen, der selbst als Aspekt der kulturellen Entfremdung durch den Säkularismus des Westens verstanden wird. Eine doktrinäre Bekämpfung des Fundamentalismus durch den Verweis auf die universal gültigen, weil auf dem Boden der säkularen, nicht an spezifische Traditionen gebundenen Vernunft formulierten Menschenrechte, könnte nach dem Rezept âMehr desselben!á gerade jene Bedrohung durch den Säkularismus verstärken, im Protest gegen den der Fundamentalismus ursprünglich entstand. Die Therapie des Fundamentalismus kann - so scheint es - nur auf dem Boden der religiösen Tradition selbst erfolgen. Allein hier liegen die Ressourcen, die für Fundamentalisten eine solche Autorität besitzen sollten, dass sie zu einer Selbstkorrektur der fundamentalistischen Position führen können.

Theologisch interpretiert ist Fundamentalismus ein Phänomen deplazierter Fundamentalität. (7) Am Beispiel des christlichen Fundamentalismus lässt sich das schnell deutlich machen. Die Bibel ist Zeugnis und Medium der Offenbarung Gottes, nicht die Offenbarung selbst. Sie hat ihre Autorität nicht als irrtumsloses Buch (das brächte die christliche Auffassung der islamischen Sicht des Qurfan sehr nahe), sondern als Zeugnis und Instrument der Selbsterschliessung der Wahrheit Gottes. Christliche Glaubensbekenntnisse sind darum Bekenntnisse des Glaubens an den dreieinigen Gott, nicht Bekenntnisse des Glaubens an ein Buch. Weiterhin ist aus christlicher Sicht nicht der Glaube an die Bibel die Voraussetzung für den Glauben an Jesus Christus. Vielmehr ist die Offenbarung Gottes in Israel und in Jesus Christus der Grund für die Bedeutung der Bibel als Zeugnis von dieser Offenbarung. Die fundamentalistische Verzerrung des christlichen Glaubens kann insofern nur aus der Perspektive des christlichen Glaubens korrigiert werden, indem die religiöse Unangemessenheit und die theologische Fragwürdigkeit fundamentalistischer Positionen religiös und theologisch kritisiert wird. Nicht weniger Religion ist der Schlüssel zur Korrektur des Fundamentalismus - mehr Säkularisierung würde nur weitere Schübe des Fundamentalismus auslösen -, sondern vertiefte Religion; nicht weniger Theologie, sondern bessere Theologie kann zur Therapie des Fundamentalismus beitragen.

Analoges lässt sich für den Islam zeigen. Die Gründe für die fundamentalistische Verzerrung des Islam bei den Taliban in Afghanistan und anderer fundamentalistischer muslimischer Gruppen sind nach Meinung von Kennern des Islam jedenfalls zum Teil in der schlechten Ausbildung ihrer Theologen zu suchen. Wo die Religion als Ausdruck des Protestes gegen den Säkularismus und als Bastion der Identitätsbewahrung gegen die kulturelle Entfremdung in der Situation der Globalisierung durch den Fundamentalismus gebraucht wird, hilft keine erneute Säkularisierung, sondern nur die Vertiefung der religiösen Identität durch ihre Rückbindung an die Quellen der religiösen Tradition. Erst durch die vertiefte Konfrontation mit dem Reichtum der religiösen Traditionen lässt sich der Fundamentalismus als verarmtes Zerrbild der Religion, als Spiegelbild des Säkularismus im Medium der Religion, erkennen.

Daraus ergibt sich die Aufgabe, die Quellen der Toleranz in den religiösen Traditionen selbst zu suchen. Das Gebot der Toleranz wäre demnach nicht in einer Relativierung der religiösen Identität zu begründen, sondern in einer vertieften Aneignung der religiösen Identität. Diese Aufgabe macht es erforderlich, in den religiösen Traditionen die Ressourcen aufzuspüren, die sich zur Begründung der Toleranz als hilfreich erweisen. Ist der Fundamentalismus ein Phänomen deplazierter Fundamentalität, dann ist er nur dadurch zu korrigieren, dass seine Kritik aus den Fundamenten der religiösen Traditionen begründet wird.

4. Toleranz und die Wahrheitsgewissheit des Glaubens

Eine Betrachtung der Geschichte des Toleranzgedankens in den Religionen kann dazu beitragen, die religiösen Hindernisse der Toleranz, aber auch ihre religiösen Wurzeln aufzudecken. (8) Diese Geschichte ist durchaus ambivalent, denn alle Religionen, die im Kontext etablierter religiöser Traditionen entstanden, mussten zunächst um Toleranz für ihre eigene Identität werben, bevor sie - nach ihrer Durchsetzung als dominante religiöse Tradition - mit der Frage konfrontiert wurden, ob und wie sie Toleranz für andere religiöse Lebensorientierungen gewähren können. Die Problematik der Geschichte des Toleranzbegriffs in der Neuzeit, der in der Kritik an den Ansprüchen religiöser Traditionen formuliert wurde, ist darin zu sehen, dass die Forderung der Toleranz eine Relativierung des religiösen Wahrheitsbewusstseins zu beinhalten scheint, die eine Schwächung religiöser Identität nach sich zieht. Die neuzeitliche Auffassung der Toleranz scheint in vielen ihrer Ausprägungen mit der Säkularisierung einherzugehen, so dass die säkulare Vernunft nicht nur zum Massstab der Plausibilität religiöser Überzeugungen, sondern auch zum Massstab der Toleranz wird. Zu tolerieren sind demnach solche Überzeugungen und Handlungen, die nach Massgabe der säkularen Vernunft zu rechtfertigen sind. Die Anerkennung von Personen und ihr Recht, ihre Überzeugungen in der Theorie und in ihrer Lebenspraxis zu vertreten, damit aber auch ihre Tolerierbarkeit, hängen somit davon ab, inwieweit ihre Überzeugungen vor dem Forum der säkularen Vernunft gerechtfertigt werden können. Wird das Mass der Toleranz am Kriterium der Entsprechung oder Nicht-Entsprechung gegenüber den Massstäben der säkularen Vernunft entschieden, muss dies als Gefährdung religiöser Identitäten verstanden werden, die sich nicht aus der säkularen Vernunft begründen, sondern auf der Basis einer religiösen Tradition und der sie begründenden Offenbarung. (9) Gerade diese Schwächung religiöser Identität führt im Gegenzug zur fundamentalistischen Affirmation des Religiösen als Intoleranz gegenüber allen anderen religiösen und weltanschaulichen Orientierungen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma, in dem die Forderung der Toleranz zur Intoleranz führt, liesse sich nur finden, wenn Toleranz im religiösen Wahrheitsbewusstsein selbst, im Herzen religiöser Identität begründet werden könnte. Gibt es religiöse Wurzeln der Toleranz, Begründungen der Toleranz, die in der religiösen Identität wurzeln und darum nicht als ihre Infragestellung erscheinen müssen?

Die folgenden Überlegungen versuchen aus der Perspektive der reformatorischen Theologie einige Ansätze zum Verständnis einer religiös verwurzelten Toleranz zu entfalten. Sie haben exemplarischen Charakter und sollen andeuten, wie aus einer spezifischen Tradition des Christentums der Toleranzgedanke entfaltet werden kann, um so einen Beitrag für ein Gespräch darüber zu leisten, wie aus unterschiedlichen religiösen Traditionen, christlichen wie nicht-christlichen, ein Toleranzverständnis aus den jeweiligen religiösen Wurzeln zu entwickeln ist, um zu zeigen, dass Toleranz nicht gegen den Glauben einzuklagen ist, sondern aus dem Glauben gewonnen werden kann.

Im Rahmen der christlichen Theologie lässt sich eine Begründung eines in einer religiösen Tradition verwurzelten Verständnisses der Toleranz aus dem Charakter des christlichen Glaubens selbst entfalten, wie er besonders in der reformatorischen Theologie herausgearbeitet wurde. Der Glaube ist nach diesem Verständnis keine menschliche Leistung, sondern gründet in der kontingent geschenkten Gewissheit über die Wahrheit der Christusbotschaft. Die reformatorische Theologie hat die Bedingungen für die Entstehung des Glaubens klar herausgearbeitet.

Einerseits ist der Glaube an die Verkündigung des Evangeliums gebunden, an die Zusage der befreienden Botschaft vom Handeln Gottes in Israel und in Jesus Christus, durch das das Heil Gottes für die Welt verwirklicht wird. Als Spitzensatz dieses Aspekts des Glaubens ist immer wieder auf die Aussage des Paulus verwiesen worden: âSo kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.á (Röm 10, 17) Der Glaube wird als Resultat eines Kommunikationsgeschehens verstanden, in dem die Botschaft vom heilschaffenden Handeln Gottes in der Verkündigung und im Hören weitergegeben wird. Die christliche Gemeinschaft ist darum als Glaubensgemeinschaft zunächst immer Kommunikationsgemeinschaft. (10) Die Begegnung mit Gott vollzieht sich im Medium zwischenmenschlicher Kommunikation. Die Fleischwerdung des Wortes Gottes ist darum die Heiligung der menschlichen, geschöpflichen, leiblichen Kommunikationspraxis. Diese Kommunikationspraxis hat ihr spezifisches Profil, ihren Inhalt und ihre Form, darin, dass sie Interpretation der Heiligen Schrift ist. Durch die Interpretation der Schrift bezieht sich die christliche Gemeinschaft auf das Zeugnis vom Handeln Gottes in Israel und in Jesus Christus, wie es in den vielfältigen Zeugnissen der Schrift bezeugt ist. Die christliche Glaubensgemeinschaft ist darum als Kommunikationsgemeinschaft immer zugleich Interpretationsgemeinschaft. Christlicher Glaube kann nur im Kontext dieser Interpretationsgemeinschaft entstehen und gepflegt werden. Die kritische Betonung des Priestertums aller Gläubigen, mit der die reformatorische Theologie die kirchliche Ämterhierarchie der mittelalterlichen römischen Kirche kritisierte, ist darum konstitutiv daran gebunden, dass alle Christinnen und Christen zum Urteil über die christliche Glaubenslehre durch die Interpretation der Schrift befähigt werden und befugt sind. Wie die Konstitution des Glaubens an die Kommunikation des Evangeliums gebunden ist, die auf der Interpretation der Schrift ruht, so kann auch die Toleranz aus Glauben nur in der christlichen Kommunikationsgemeinschaft eingeübt werden und an der Interpretation der Schrift ihre Grundlage finden. So wie der Glaube so hat auch die Toleranz aus Glauben das konkrete Leben einer Gemeinschaft zur Voraussetzung, die in der Interpretation der Schrift und in der fortwährenden Kommunikation über die in der Schrift bezeugte Botschaft die Orientierung ihres Lebens findet.

Andererseits wird der christliche Glaube nach reformatorischem Verständnis dadurch konstituiert, dass Gott selbst durch seinen Geist die verkündigte Botschaft vom Heil Gottes für die Welt in Jesus Christus für den einzelnen Glaubenden bewährt und gewiss macht. Das verbum externum, das Zeugnis vom Handeln Gottes in der an äusserliche Zeichenkommunikation gebundenen Verkündigung der christlichen Botschaft wird durch das testimonium internum des Heiligen Geistes gewiss gemacht. Die Konstitution dieser Gewissheit wird in der reformatorischen Theologie als ein souveräner Schöpfungsakt Gottes verstanden, der in der Erleuchtung des Herzens der Menschen besteht. Auch hierfür findet sich aus der Perspektive reformatorischer Theologie das grundlegende Schriftzitat bei Paulus: âGott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.á (2Kor 4, 6) Die den Glauben ermöglichende Gewissheit wird dort geschaffen, wo die durch das äussere Wort kommunizierte Christusbotschaft Menschen als Wahrheit einleuchtet, die sie selbst einschliesst, weil sie die Dunkelheit des menschlichen Herzens durch den Schein der göttlichen Herrlichkeit erleuchtet. Die Konstitution der Wahrheitsgewissheit des Glaubens ist ein souveräner Schöpfungsakt Gottes, der die Botschaft der Verkündigung, die im Zeugnis der Schrift begründet ist, für den Glaubenden bewahrheitet. (11)

Diese Gewissheit kann nicht hergestellt werden, weder von den Glaubenden selbst, noch von anderen. Sie muss für den Menschen unverfügbar erschlossen werden. Aus menschlicher Perspektive gilt: Glaube wird geschenkt, nicht gemacht. Diese Auffassung vom Zustandekommen religiöser Gewissheit gilt nach christlicher Auffassung nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen, und sie gilt nicht nur die Konstitution von Glaubensgewissheit, sondern für alle Gewissheit. Hier liegt die Begründung der Gewissensfreiheit, die in der Reformation im Protest gegen die Ansprüche kirchlicher und weltlicher Herrschaft auf Gewissensbindung an bestehende Lehre profiliert wurde. Die Einsicht in die Konstitution der eigenen Glaubensgewissheit, die Einsicht in die Freiheit des Gewissens auf Grund der Unverfügbarkeit der Gewissensbindung, ist aus der Perspektive des christlichen Glaubens die Grundlage der Toleranz anderer religiöser Glaubensüberzeugungen. Nach Auffassung des christlichen Glaubens ist es ein Implikat der Wahrheit der Begründung des Glaubens in der Unverfügbarkeit der Selbsterschliessung Gottes, dass sie für alle Menschen und für alle Gewissheiten gilt. Aus dieser Einsicht würde folgen, dass andere Glaubensüberzeugungen darum zu tolerieren sind, weil sie nach dem Zeugnis der Angehörigen anderer Religionen ebenso nicht das Produkt menschlicher Erkenntnisbemühung, sondern einer transzendenten Erschliessungserfahrung sind.

Die Begründung der Toleranz in der Einsicht in die Konstitution der eigenen Glaubensgewissheit, also auf dem Boden der eigenen religiösen Identität, so wie sie durch die Bildung am verbum externum des biblischen Zeugnisses und der christlichen Verkündigung geprägt und durch die kontingent, als testimonium internum geschenkte Einsicht in die Wahrheit dieser Botschaft konstituiert wird, unterscheidet sich radikal von der relativistischen Nivellierung aller religiösen Wahrheitsansprüche. Der Relativismus erweist sich nur scheinbar als Weg zur Toleranz, insofern er allen religiösen Wahrheitsansprüchen bestenfalls eine partielle Einsicht in die Wahrheit zugesteht und somit die Schwäche ihrer Einsicht, die Unvollkommenheit ihrer Wahrheitserkenntnis, als Basis der Toleranz erklärt. Zugleich aber erweist sich der Relativismus selbst als unfähig zur Toleranz, weil er für sein eigenes Dogma „Alle Wahrheitsansprüche sind relativ" absolute Gültigkeit beansprucht und die Negation des relativistischen Credos gerade nicht toleriert. Der Relativismus beansprucht für die eigene Position exklusive Gültigkeit, bestreitet sie aber jeder anderen Position: Das ist die klassische Haltung der Intoleranz. Toleranz als aktive Toleranz des Erduldens eines anderen Wahrheitsanspruches, als Anerkennung des Rechtes des Anderen auf Vertretung seiner Wahrheitsgewissheit, wird nur dort möglich, wo sie in der eigenen Wahrheitsgewissheit begründet ist. Das Tolerieren des anderen Glaubens ist nur möglich als Toleranz aus Glauben. Damit kommt aber auch die Reziprozität der Toleranz in den Blick, in der die Praxis der Toleranz zur Begründung stabiler Beziehungen zwischen unterschiedlichen Wahrheitsüberzeugungen wird. Nur wo gegenüber der Gewissheit des Anderen Toleranz gewährt wird, kann auch für die eigene Gewissheit Toleranz erwartet werden. Während die erzwungene Toleranz zur Intoleranz führt, enthält die gewährte Toleranz für den Anderen die Einladung an den Anderen, auch selbst Toleranz zu gewähren.

Obwohl sich die Toleranz aus Glauben, die im Bewusstsein der Konstitution der eigenen Glaubensgewissheit begründet ist, radikal von der relativistischen Nivellierung aller Glaubensgewissheiten unterscheidet, ist jedoch nicht zu verkennen, dass sie auch ein Element der Selbstrelativierung enthält. Diese Relativierung besteht darin, dass der Glaube sich nicht von seiner Konstitution in Gottes gewissheitsschaffendem Handeln emanzipieren kann, sondern stets nur in dieser Beziehung besteht. Die Wahrheitsgewissheit des Glaubens bleibt darum stets an die dem Menschen unverfügbare Erschliessung der Wahrheit, die Gott ist, zurückgebunden. Die Gewissheit des Glaubens ist darum immer Wahrheit in Beziehung, d.h. die dem Menschen im Glauben gewährte Teilhabe an der Wahrheit, die Gott in seiner Selbsterschliessung mitteilt. In der christlichen Tradition ist darum immer wieder pointiert hervorgehoben worden, dass Wahrheit streng theologisch verstanden werden muss: Gottes Wesen ist Wahrheit, die Gott in der Wahrhaftigkeit seiner Selbsterschliessung zur Durchsetzung bringt. Die Einheit der Wahrheit darf darum nicht in einem System von Glaubensaussagen lokalisiert werden. Vielmehr ist Gott selbst die Einheit der Wahrheit, an der alle Wahrheiten, wo auch immer und wie auch immer sie erschlossen werden, partizipieren. (12) Wahrheit wird darum auch im Glauben kein menschlicher Besitz, sondern bleibt die von Gott unverfügbar gewährte Gabe.

Diese Einsicht hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von Absolutheit und Relativität. Absolut ist für den christlichen Glauben nur Gott selbst, dessen Wesen Wahrheit ist. Alle Wahrheit, wo auch immer sie erschlossen wird, ist streng relativ zu der Wahrheit, die Gott ist. Darum darf diesem theologischen Verständnis der Wahrheit zufolge, der Charakter der Absolutheit nicht auf die Institutionen der Religion, auf ihr Lehrsystem, ihre Kultpraxis, ihre Ämterordnung oder ihren Verhaltenskodex übertragen werden. Sie bleiben streng relativ zu dem sie begründenden Geschehen der Selbsterschliessung Gottes, die die Gewissheit des Glaubens konstituiert, und bleiben daher auch immer kritisierbar und reformierbar. Alle Formen der Religionspraxis sind nach diesem theologischen Verständnis darin relativ, dass sie Zeugnischarakter haben und von sich wegweisen auf Gott als Grund und Gegenstand ihres Zeugnisses. Die absolute Autorität der gewissheitsschaffenden Offenbarung Gottes ist nicht übertragbar auf die unterschiedlichen institutionellen und persönlichen Gestalten des Offenbarungszeugnisses. Gerade auf der Basis ihrer Begründung in der Selbsterschliessung Gottes hat die Glaubensgewissheit die Kraft zur Selbstrelativierung, die es ihr ermöglicht, Zeugnis zu bleiben und ihre relativen Ausdrucksformen nicht an die Stelle der absoluten Autorität der Offenbarung Gottes zu stellen.

Diese Begründung der Toleranz in der Konstitution der eigenen Glaubensgewissheit, christlich theologisch gesprochen: in der Erfahrung der unverfügbaren Gabe des Glaubens, in der Gewissensfreiheit der eigenen Überzeugung, die gegenüber der Überzeugung des Anderen nur um den Preis der Infragestellung der eigenen Gewissheit verweigert werden kann, enthält aber auch eine klare Einsicht in die Grenzen der Toleranz. Nicht toleriert werden kann jeder Versuch, in die Gewissensfreiheit einzugreifen, sei es durch ihre Bestreitung oder sei es durch den Versuch, die Gewissheitsbildung selbst aktiv zu inszenieren. Die Gewissensfreiheit wird am wirkungsvollsten bestritten, wo davon ausgegangen wird, dass die handlungsleitenden Gewissheiten von Menschen lehrbar sind, dass also nicht nur der Gehalt der Lehre und ihr Wahrheitsanspruch vermittelt werden kann, sondern auch die Gewissheit in Bezug auf die Wahrheit der Lehre aktiv bewirkt werden kann. (13) Der gemeinsame Nenner aller totalitären Ideologien besteht darin, dass sie sowohl versuchen, Gewissheiten zu schaffen, als auch die Freiheit des Gewissens, die in der Gewissheit der eigenen Einsicht begründet ist, in ihrer Geltung zu beschränken. Die Frage der Gewalt markiert darum die Grenze der Toleranz. Gewalt beginnt nicht erst bei der physischen Gewalt gegen Menschen, die andere Überzeugungen vertreten. Sie beginnt schon dort, wo in die Gewissheitsbildung eingegriffen wird, wo der Versuch gemacht wird, über die Gewissheit des Anderen oder auch über die eigene Gewissheit zu verfügen. Gewaltverzicht im Umgang mit Menschen anderer Überzeugungen beinhaltet darum die Beschränkung auf Formen der Vertretung der eigenen Überzeugung, die respektieren, dass die Bildung von Gewissheit kein menschenmögliches Werk ist, sondern unverfügbar und frei geschehen muss.

5. Die Toleranz Gottes und die Toleranz aus Glauben

Bisher haben wir uns zur Begründung einer in der christlichen religiösen Identität verwurzelten Toleranz aus Glauben allein auf die Konstitution der Wahrheitsgewissheit des Glaubens konzentriert. Das kann allerdings nur die eine Seite der Toleranz aus Glauben sein. Die andere, mit ihr unverbrüchlich verbundene Seite ist die Begründung der Toleranz aus dem Inhalt des christlichen Glaubens. Für diese inhaltliche Begründung ist in der Diskussion der evangelischen Theologie in den letzten zwanzig Jahren immer wieder auf eine Passage in Luthers âDisputatio de iustificationeá aus dem Jahr 1536 verwiesen worden, auf die Gerhard Ebeling aufmerksam gemacht hat. (14) Im Kontext der Gegenüberstellung der Rechtfertigung vor den Menschen durch Werke und der Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben stellt Luther die Frage, warum Gott denn die Werke der impii, der Gottlosen, durchaus durch zeitliche Güter belohnt, obwohl sie doch vor Gott, wenn sie zur Rechtfertigung des Menschen vor Gott missbraucht werden, nichts als Heuchelei sind. (15) Luther antwortet darauf: Dies geschehe nicht im Blick auf die Gottlosen, die so ihre Gerechtigkeit zu erwirken trachten und auch nicht im Blick auf die Qualität der ausgeführten Werke. Vielmehr sei dies nur im Blick auf die unfassbare Toleranz und Weisheit Gottes zu verstehen. (16) Die Toleranz Gottes, die dem in Sünde gefangenen Menschen gilt, der im Widerspruch zur Wahrheit Gottes lebt, wird hier zum Leitbegriff der Reflexion.

Luther gibt für diese Toleranz Gottes zunächst eine gleichsam pragmatische Begründung: durch die Duldung des kleineren Übels soll das grössere Übel, durch das alle Lebensverhältnisse verkehrt werden, verhindert werden. (17) In diesem Sinne muss man im Staat schlechte Menschen ertragen, damit der öffentliche Friede erhalten werden kann, und darum ist es in der Heilkunst notwendig, unheilbare Krankheiten hinzunehmen, um nicht durch den Versuch einer Radikalkur das Leben selbst zu zerstören. (18) Neben diesem gleichsam pragmatischen Argument verwendet Luther allerdings auch ein explizit theologisches. Auch die durch die Rechtfertigung aus Glauben von Gott Geheiligten und die Kirche sind auf Gottes Toleranz angewiesen. Denn in ihnen hat das neue Leben durch die Gerechtmachung durch Gott zwar schon begonnen, sie bleiben aber simul iustus et peccator, gerecht und Sünder zugleich, bis Gott die Wirklichkeit des neuen Lebens in der Gerechtigkeit Gottes in ihnen vollendet. (19) Die Toleranz Gottes gilt beiden, den Gottlosen wie den Gerechtfertigten, und sie gilt in beiden der Wirklichkeit der Sünde, des Widerspruchs gegen Gott, die beiden noch anhaftet: als Gefangenen, die aus der Gefangenschaft der Sünde noch nicht befreit sind, sondern selbst ihre Befreiung suchen, oder als Befreiten, denen der Weg aus dem Gefängnis durch Gottes Urteil schon gebahnt ist. Gott erträgt das ihm Unerträgliche, den Widerspruch der Sünde, um der Verwirklichung seiner Gerechtigkeit willen. Alle Menschen, Gerechtfertigte wie Gottlose, sind Sünder und leben aus der Toleranz Gottes.

Was würde es für eine christlich-theologisch begründete Toleranz aus Glauben bedeuten, sich an diesem Verständnis der Toleranz Gottes zu orientieren? Es kann jedenfalls nicht bedeuten, dass die Glaubenden gleichsam die Toleranz Gottes für sich beanspruchen und mit der Maxime âSo wie Gott toleriert, so toleriere ich auchá Toleranz üben. Die Unterscheidung und Beziehung zwischen dem Werk Gottes und dem menschlichen Werk, die das Herzstück der reformatorischen Theologie ist, ist auch und gerade in der Thesenreihe der âDisputatio de iustificationeá vorausgesetzt. (20) Vielmehr erfolgt hier eine ähnliche Selbstrelativierung der Toleranz aus Glauben, wie wir sie bei der Selbstrelativierung der Wahrheitsgewissheit des Glaubens zur Wahrheit, die Gott ist, zu skizzieren versucht haben. Sie orientiert sich an der Frage: Wie wird es den Glaubenden ermöglicht, aus der Einsicht des Glaubens in die Toleranz Gottes menschlich Toleranz zu üben? Die erste Einsicht die hier festzuhalten ist, ist die, dass Gott allein der Richter aller Menschen ist. Es gibt kein menschliches Urteil, das an die Stelle des letztgültigen Urteils Gottes treten könnte. Wenn Gott der letztgültige Richter den Widerspruch der Sünde toleriert, kann es nicht Sache der Glaubenden sein, an der Stelle Gottes ein letztgültiges Urteil über die Sünde zu vollziehen. Alles menschliche Urteilen ist gegenüber Gottes Urteil streng relativ, es darf sich keine Absolutheit anmassen. Menschliche Toleranz vollzieht sich darum im Horizont der Toleranz Gottes. Die zweite Einsicht führt die Glaubenden noch einen Schritt weiter: So wie Gott, der uns allein aus Gnade durch Glauben um Christi willen rechtfertigt, unsere Sünde toleriert, die als überwundene noch fortbesteht, solange wir in diesem Leben sind, so toleriert Gott auch die Sünde der Gottlosen. Wir können Toleranz üben in dem Bewusstsein, dass wir alle, Glaubende wie Nicht-Glaubende, Sünder und auf Gottes Toleranz angewiesen sind. Die Unterscheidung zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden wird unterfangen von der Einsicht, dass beide Sünder sind und aus Gottes Toleranz leben. Dazu kommt die dritte Einsicht: Gott vollzieht sein Gericht und Gott übt Toleranz, indem er zwischen dem Werk und der Person des Menschen unterscheidet. Gottes Gericht wie Gottes Toleranz orientieren sich nach reformatorischen Verständnis nicht an dem Grundsatz âDer Mensch ist, was er tutá, sondern daran, dass der Mensch ist, wozu er durch die Kraft der Liebe Gottes geschaffen ist. Nach reformatorischem Verständnis ist dies der Kern des Selbstverständnisses der gerechtfertigten Sünder im Glauben. Durch Gottes Rechtfertigungsurteil wird ihr Personsein von ihren Werken unterschieden. Die Anerkennung, die Gott ihnen zuteil werden lässt, gilt ihrem Personsein, das durch die Zuwendung der Liebe Gottes konstituiert wird und nicht dadurch, dass Gott die verdienstliche Qualität ihrer Werke anerkennt. Die Auszeichnung des menschlichen Personseins ist nicht am Massstab der menschlichen Leistungen zu bemessen, auch nicht am Kriterium menschlichen Vermögens oder Unvermögens, sondern an Gottes Beziehung zum Menschen. Für eine im Horizont der Toleranz Gottes geübte Toleranz aus Glauben gilt darum die Toleranz gegenüber dem Personsein von Menschen auch dort, wo ihre Überzeugungen und Handlungen abzulehnen sind. Die radikalste Konsequenz dieses Gedankens ist im christlichen Glauben das Gebot der Feindesliebe. Selbst die Feinde sind zu lieben, nicht weil sie in ihrer Feindschaft doch liebenswert erscheinen - das wäre eine an Perversität grenzende Überforderung menschlicher Liebesfähigkeit -, sondern darum, weil sie von Gott geliebt sind, weil ihr Personsein die Auszeichnung des Ebenbildes Gottes trägt und sie ebenso wie die Glaubenden zur Teilhabe an der Versöhnung mit Gott berufen sind, die Gott im Kreuz und in der Aufweckung Jesu Christi erwirkt hat. Diese radikalste Konsequenz einer an der Toleranz Gottes orientierten Praxis der Toleranz ist den Glaubenden nur möglich, weil ihr eigener Glaube von der Überzeugung lebt, dass Gott ihnen seine Liebe erwiesen hat, als sie noch Gottes Feinde waren (vgl. Röm 5, 10). Es ist die Einsicht, dass sie schon von Gott geliebt wurden, als sie noch die Feinde Gottes waren, die es Glaubenden ermöglicht, in den Feinden gleichsam ihr alter ego zu erkennen, sich selbst, als sie noch im Widerspruch zu Gott lebten und ihnen dennoch die Liebe Gottes schon galt.

Allerdings ist an Luthers Darstellung der Toleranz Gottes für die Praxis einer Toleranz aus Glauben noch ein weiteres Element entscheidend. Pragmatische Argumente sind erlaubt in der Umsetzung des Gedankens der Toleranz Gottes in die gesellschaftliche Wirklichkeit! So wie Luther argumentiert, dass die Toleranz Gottes gegenüber den Gottlosen darin ihre Analogie hat, dass im Gemeinwesen das kleinere Übel zur Vermeidung des Grösseren toleriert werden muss - âpro bono pacis publicaeá -, so ist auch das gemeinschaftliche Gute einer Gesellschaft ein legitimes Argument für die Praxis der Toleranz. Die Orientierung an der Toleranz Gottes übersetzt sich gerade nicht in die Praxis einer rigoristischen Theokratie, in der die theologisch begründete Intoleranz regiert, sondern in eine Praxis gesellschaftlichen Zusammenlebens, in dem die theologischen Prinzipien der Toleranz in eine am öffentlichen Frieden und damit am Gemeinwohl orientierte Politik übersetzt werden dürfen.

Allerdings sind auch mit dieser kurzen Skizze der inhaltlichen Orientierung einer Toleranz aus Glauben die Grenzen der Toleranz beschrieben. Nicht toleriert werden dürfen solche Überzeugungen und Handlungen, die die Personwürde von Menschen zu zerstören trachten und damit darauf abzielen, das Ebenbild Gottes im Menschen auszulöschen. Die Verpflichtung, den Anderen mit seinen widerstreitenden, abzulehnenden Überzeugungen zu tolerieren, weil er in seiner Person das Ebenbild Gottes trägt, verpflichtet genauso, allen Bestrebungen Widerstand zu leisten, die die Personwürde von Menschen antasten und das Ebenbild Gottes in ihnen negieren. Auch hier ist die Ächtung menschenfeindlicher Gewalt ein ethisches Implikat der Toleranz aus Glauben.

6. Identitätspflege als Bedingung der Toleranz

Die vorangegangenen Überlegungen sollen andeuten, wie aus der Perspektive der Tradition des reformatorischen Christentums Toleranz aus Glauben begründet werden kann. Dieser Versuch geht bewusst von den besonderen theologischen Grundeinsichten dieser Tradition aus. In der Situation des religiös-weltanschaulichen Pluralismus, in der es keine gemeinsamen, von allen geteilten Basisüberzeugungen über die Gestaltung des menschlichen Lebens in der Gesellschaft zu geben scheint, scheint die Begründung der Toleranz dann am erfolgreichsten möglich zu sein, wenn sie sich auf die Glaubensüberzeugungen beruft, die für bestimmte Gruppen und Gemeinschaften in der Gesellschaft verpflichtenden Charakter haben. Dabei ist dieser Versuch von der Vermutung geleitet, dass analoge Begründungen der Toleranz auch aus den religiösen Traditionen des Judentums und des Islams und aus anderen christlichen Traditionen, ebenso wie aus vielen anderen religiösen Traditionen, entwickelt werden können. Die Debatte über Gründe und Grenzen der Toleranz könnte dann wirkliche Fortschritte machen, wenn sich die unterschiedlichen religiösen Traditionen in ihrem Versuch, Toleranz aus ihren jeweiligen religiösen Wurzeln zu begründen, gegenseitig anregen lassen könnten und ihre Einsichten im Dialog bereichern würden.

Allerdings macht ein solcher Versuch auch die institutionellen Voraussetzungen für eine Kultur der Toleranz deutlich, die sich aus den religiösen Identitäten der jeweiligen Glaubensgemeinschaften begründet. Diese institutionellen Voraussetzungen können nur z.T. vom Staat gewährleistet werden, insofern der Staat nur die Rahmenbedingungen einer Rechtsordnung bereit stellen kann, die es den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften ermöglicht, Institutionen zur Pflege der Kultur des Glaubens zu erhalten. Ein Staatswesen, dass sich der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet weiss, muss sich auf diese Aufgabe beschränken. Alle Versuche, über die Respektierung der Verfassung hinaus bestimmte handlungsorientierende Basisüberzeugungen für die Bürgerinnen und Bürger des Staatswesens verpflichtend zu machen, kommt nur allzu leicht in die Nähe von totalitären Tendenzen, in die Religions- und Gewissensfreiheit der Bürger durch normative weltanschauliche Orientierungen einzugreifen. Zugleich aber ist anzuerkennen, dass das Gemeinwohl eines Staates von Voraussetzungen abhängt, die der Staat selbst nicht schaffen kann und darf. Dazu gehören eben jene religiösen und weltanschaulichen Basisorientierungen, auf deren Basis das Gemeinwohl inhaltlich bestimmt werden muss und die das in einer Gesellschaft zu verwirklichende Gute definieren. Die Rahmenordnung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die durch die Rechtsordnung gewährleistet wird, muss darum Raum bieten für Begründungen, die die Einhaltung der Rechtsordnung in einem inhaltlich präzisierten Menschenbild verankern. Die Rechtsordnung des Staates kann für die Praxis der Toleranz nur die Rahmenbedingungen abstecken, durch die die Formen der Intoleranz, die gegen die staatliche Rechtsordnung verstossen, mit Sanktionen belegt. Für die Praxis der Toleranz bleibt der Staat auf die Institutionen der Zivilgesellschaft angewiesen, deren Bestand er nur rechtlich ermöglichen und sichern, deren inhaltliche Gestaltung er aber aus recht verstandener Selbstbeschränkung nicht in die Hand nehmen darf.

Unsere Überlegungen zur Toleranz aus Glauben aus der Perspektive der reformatorischen Theologie haben schon gezeigt, dass Toleranz nicht nur eine Individualtugend ist, die ausschliesslich in der Gewissensfreiheit des Einzelnen begründet ist. Gerade die individuelle Toleranz setzt eine soziale Gemeinschaft voraus, in der die Bedingungen zur Bildung einer toleranzfähigen personalen Identität in einer Gemeinschaft mit einer gefestigten sozialen Identität - und das sind Gemeinschaften, die sich den Grund ihrer Identität in ihrer Kommunikationspraxis vergegenwärtigen - gewährleistet werden können. Hier haben die Religionsgemeinschaften und Kirchen eine besonders wichtige Funktion in der Zivilgesellschaft. Sie sind Institutionen der Identitätspflege, die in der Situation des religiös-weltanschaulichen Pluralismus die Kultivierung einer sozialen Identität ermöglichen sollen, die den Lebenszusammenhang für die Ausbildung einer toleranzfähigen personalen Identität bietet. Wie viel Toleranz sie ihren einzelnen Mitgliedern zu erwerben ermöglicht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie viel Toleranz sie in ihrem Leben als Religionsgemeinschaften und Kirchen praktizieren. Identitätspflege als Bedingung der Toleranz geht dabei stets von der Voraussetzung aus, dass die Praxis der Toleranz dann zu realisieren ist, wenn sie nicht als Infragestellung und Gefährdung der eigenen personalen und sozialen Identität erscheint, sondern aus ihr heraus begründet werden kann.

Was für die reformatorische Begründung der Toleranz aus Glauben gezeigt werden kann, gilt in analoger Form auch für die Reflexion auf die religiösen Wurzeln der Toleranz im Judentum und im Islam. Sie setzt die Praxis einer Gemeinschaft voraus, die ihr Leben als Interpretationsgemeinschaft ihrer lebensorientierenden Traditionen gestaltet und sucht auf diese Weise in ihren heiligen Schriften nach dem Massstab der Lebensorientierung auch in Fragen der Toleranz. (21)

7. Von der Toleranz zur Kooperation

Im Zeitalter der Globalisierung ist die Identitätspflege der einzelnen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften noch keine zureichende Bedingung für eine gerechte und friedfertige Praxis der Toleranz zwischen Einzelnen und Gemeinschaften. Die Globalisierung hat deutlich gemacht, dass wir nicht mehr in einer Welt leben, die durch unabhängige und autonome Einheiten, wie etwa die Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts, bestimmt sind. Wir leben im Zeitalter einer multidimensionalen Interdependenz, in der jeder Staat, jede Gesellschaft, jede Gemeinschaft, jeder Einzelne in einer Gemeinschaft auf vielfältige Weise mit anderen verbunden ist. Diese Interdependenz zeigt sich nicht nur in allen politischen Fragen, sondern vor allem in unserer Einbeziehung in ein Netzwerk von wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Selbst der global agierende Terrorismus macht sich diese Interdependenz zunutze. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass die Interdependenz nicht nur im Makrokosmos der Weltwirtschaft und der Weltpolitik besteht, sondern sich auch im Mikrokosmos unserer Lebensbedingungen vor Ort spiegelt. Es gibt kein Lokales, das nicht von der der wechselseitigen Abhängigkeit des Globalen betroffen wäre.

Die entscheidende Frage, vor der das 21. Jh. steht, ist die Gestaltung dieser Interdependenz. Vieles deutet darauf hin, dass die Interdependenz dort, wo ihre Gestaltung allein den freien Kräften des Marktes überlassen wird, Konflikte heraufbeschwört, die nicht mit wirtschaftlichen Mitteln allein zu lösen sind. Soll die Zukunft der Weltgesellschaft durch den Kampf zwischen âDjihad gegen McWorldá entschieden werden, wie es Benjamin Barber provozierend formuliert hat? Ebenso zeigt sich, dass eine allein auf die Nationalstaaten bauende politische Gestaltung der globalen Interdependenz immer wieder an den übernationalen Strukturen dieser Interdependenz scheitert. Der neu aufkeimende Nationalismus in vielen Ländern der Erde ist eine hilflose Reaktion gegen die Strukturen ökonomischer Interdependenz. Den Kirchen und Religionsgemeinschaften kommt in dieser Situation eine entscheidende Rolle zu. Die Weltreligionen existieren bereits in einem Netzwerk globaler Interdependenz, sie überschreiten die Grenzen der Nationen ebenso wie die Grenzen der Wirtschaftszusammenschlüsse und Handelsorganisationen. Die Herausforderung, vor der sie stehen, lässt sich in der Frage formulieren, welchen Beitrag sie zu einer Gestaltung der bestehenden globalen Interdependenz leisten können, der eine gerechte und friedvolle Ordnung der globalen Beziehungen realisieren hilft.

Hier zeigt sich, dass Toleranz noch nicht genug ist, um eine friedliche Koexistenz der unterschiedlichen Gruppen, Gemeinschaften, Staaten und Religionen zu gewährleisten. Angesichts der Herausforderungen globaler Interdependenz müssen Wege von der Toleranz zur Kooperation gefunden werden. Lässt das Konzept eine Toleranz aus Glauben auch Gestaltungsmöglichkeiten der Situation der globalen Interdependenz erkennen? Toleranz, die in der jeweiligen religiösen Identität verwurzelt ist, soll es den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften ermöglichen, sich gegenseitig zu tolerieren, aber aus Gründen, die in der jeweils eigenen Tradition, in der jeweils eigenen Glaubensüberzeugung gefunden werden. Die Religionen könnten dann einen wesentlichen Beitrag zur Kooperation der unterschiedlichen Gruppen, Gesellschaften und Kulturen leisten, wenn es gelingt, deutlich zu machen, dass eine solche Kooperation nicht auf identischen Begründungen beruhen muss, sondern von den beteiligten Personen, Gruppen und Gemeinschaften jeweils aus der Perspektive ihrer eigenen Überzeugungen begründet werden soll - freilich im Blick auf gemeinschaftlich erkannte Ziele.

Der Schritt von der Toleranz zur Kooperation beginnt nicht auf der Weltebene, sondern im lokalen Kontext, wo Personen und Gemeinschaften mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen und Basisorientierungen zusammen kommen, um Wege zu finden, ihr Leben in der Gesellschaft zu gestalten - zum Wohl ihrer Gemeinschaft und zum Wohl der Gesellschaft als ganzer. Um dieses Ziel zu fördern, stehen die Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht nur vor der Aufgabe, Institutionen der Identitätspflege zu sein, in denen die Praxis der Toleranz aus ihren religiösen Wurzeln begründet werden kann. Sie stehen auch vor der Aufgabe, Institutionen eines gesellschaftlichen Dialogs zu sein, der nicht den Konsens der Glaubensüberzeugungen, sondern die Kooperation aus unterschiedlichen Überzeugungen zum Ziel hat. Toleranz aus Glauben wäre dann ein wichtiger erster Schritt zur Verwirklichung der Gestaltung der Gesellschaft im Sinne dialogischer Differenz und Gemeinschaft.

Anmerkungen

  1. Einen ausgezeichneten Überblick über die Toleranzforschung gibt der Band: Kulturthema Toleranz. Zur Grundlegung einer interdisziplinären Toleranzforschung, hg. von Alois Wierlacher, München 1996. Eine konzise Synopse der Toleranzkonzepte bietet der Beitrag des Herausgebers in diesem Band: A. Wierlacher, Aktive Toleranz, a.a.O., 51-82. Eine übersichtliche Ergänzung dieses Bandes bietet die Textsammlung: Toleranztheorie in Deutschland (1949-1999). Eine anthologische Dokumentation, hg. von A. Wierlacher und W. D. Otto, Tübingen 2002.
  2. Vgl. E. Herms, Pluralismus aus Prinzip, in: Vor Ort. Praktische Theologie in der Erprobung, FS Peter C. Bloth, hg. v. R. Bookhagen u.a., Nürnberg 1991, 95-124.
  3. Vgl. Chr. Schwöbel, Religiöser Pluralismus als Signatur unserer Lebenswelt, in: Theologie in skeptischer Zeit, hg. v. M. Marquardt, Stuttgart 1997, 40-66, in diesem Band xxx-xxx.
  4. Vgl. zu den wichtigsten Aspekten der Globalisierungsproblematik A. Giddens, Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert, Frankfurt/Main 2001.
  5. Vgl. B. R. Barber, Jihad vs. McWorld, New York 1995.
  6. Vgl. als kurze Übersicht zum Thema Fundamentalismus K. Kienzler, Der religiöse Fundamentalismus, München 1996. Die bisher umfassendste Dokumentation ist: The Fundamentalism Project, 5 Bde., hg. v. M. E. Marty and R. S. Appleby, Chicago/London, 1991-1995.
  7. Vgl. dazu ausführlicher Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, in: Christlicher Wahrheitsanspruch zwischen Fundamentalismus und Pluralität, hg. v. U. Kühn, M. Markert und M. Petzoldt, Leipzig 1998, 88-120, in diesem Band: XXX-XXX.
  8. Vgl. dazu den immer noch instruktiven Sammelband: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hg. v. H. Lutz, WdF CCXLVI, Darmstadt 1977. Vgl. weiterhin die umfassende Begriffsgeschichte im Art. âToleranzá von K. Schreiner und G. Besier, in: O. Brunner u. a. (Hgg.) Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6/1990, S. 445-605.
  9. Gerhard Ebeling formuliert diesen Zusammenhang so: âDer in der Toleranz der Vernunft angelegte, wenn auch zunächst nicht gewollte Trend zur Formalisierung untergräbt zumindest potentiell das Sittliche wie das Religiöse durch eine Vergleichgültigung, die der Nährboden neuer Intoleranzen ist. Man kann nicht der Toleranz der Vernunft, wie sie es verdient, zustimmen, ohne diesen hohen Preis einzukalkulieren.á G. Ebeling, Die Toleranz Gottes und die Toleranz der Vernunft, zuerst in: ZThK 18 (1981), 442-464, hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: Glaube und Toleranz. Das theologische Erbe der Aufklärung, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1982, 54-73, hier: 69.
  10. Vgl. dazu ausführlicher Chr. Schwöbel, Kirche als Kommunikationsgemeinschaft, Lernort Gemeinde, 15 (2/1997), 10-16.
  11. Es ist aufschlussreich, dass in der nachreformatorischen europäischen Geistesgeschichte der von den Reformatoren betonte Zusammenhang zwischen dem äusseren Wort, der Kommunikation durch erfahrbare Zeichen, die an eine Interpretationsgemeinschaft gebunden ist, und dem inneren Zeugnis des Geistes im Herzen, der persönlichen Evidenzerfahrung, auseinanderbricht. Auf der einen Seite entwickelt sich durch die direkte Identifikation des gewissheitsschaffenden Handelns des Geistes mit dem Buchstaben der Schrift die Theorie der Verbalinspiration. Auf der anderen Seite wird - programmatisch etwa bei George Fox und den Quäkern - die Beziehung zwischen dem Wort der Schrift und der Erleuchtungserfahrung des Geistes aufgelöst, so dass Gewissheit ohne äussere Zeichenkommunikation allein durch das „innere Licht" konstituiert wird. In der Aufklärung, die die Licht-Metapher als programmatische Selbstbezeichnung übernimmt (enlightenment, les lumieres, illuminismo), verbindet sich die Erleuchtung des Geistes mit einer radikalen Traditionskritik und mit einer Konzeption der Konstitution von Gewissheit, die diese nicht als passiv für den menschlichen Geist konstituiert, sondern als aktiv vom menschlichen Geist konstituiert interpretiert. Die Folgen dieser Trennung zwischen dem „äusseren Wort" und dem „inneren Gewissheitszeugnis" durchziehen die Debatten der Moderne. Einer der interessantesten Aspekte der Postmoderne scheint darin zu bestehen, dass nach der De-Kanonisierung der Prinzipien der Aufklärung eine Re-Kanonisierung des äusseren Wortes erfolgt - auch der heiligen Schriften der Religionsgemeinschaften.
  12. Der Gedanke, dass Gott der Ort der Einheit der Wahrheit ist, ist schon bei Augustin (De lib. arb II, 15) klar formuliert. Im Verständnis, dass Gottes Wesen Wahrheit ist, so dass der Satz formuliert werden kann: âDeus est veritasá stimmen Thomas von Aquin und Luther überein. Zu Luther vgl. E. Herms, Gewissheit in Martin Luthers âDe servo arbitrioá, in: Lutherjahrbuch 67 (2000), 23-50, bes. 27, Anm. 6.
  13. Es erscheint geradezu als ein - hier nur hypothetisch zu formulierendes - Unterscheidungsmerkmal zwischen Religionen und Weltanschauungen, dass Religionen von der Überzeugung getragen sind, dass die Gewissheit der religiösen Basisorientierung für den Menschen passiv erschlossen werden muss, oder - wie in den mystischen Religionen - in einer kontingent widerfahrenen Erleuchtung begründet ist. Für die christliche Mission ist z.B. entscheidend, dass sie sich auf das Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums beschränken muss, weil die Gewissheit über die bezeugte Wahrheit nur durch den Geist Gottes geschenkt werden kann. Wo die Mission über diese Grenze hinausgeht, beansprucht sie als menschliches Werk, was nur das Werk Gottes sein kann. Das ist - christlich verstanden - Sünde. Demgegenüber stimmen die wissenschaftlichen Weltanschauungen darin überein, dass handlungsleitende Gewissheiten durch Lehre produzierbar sind. Wo diese Auffassung praktiziert wird, werden die totalitären Tendenzen von Weltanschauungen offenbar.
  14. Vgl. G. Ebeling, Die Toleranz Gottes und die Toleranz der Vernunft, a.a.O. (Anm. 9). Die Textstelle aus Luthers Disputation wird in diesem Band eingehend in dem Beitrag von Wilfried Härle âWahrheitsgewissheit als Bedingung von Toleranzá untersucht. Luthers Umgang mit dem Toleranzbegriff ist auch deswegen besonders aufschlussreich, weil er das Wort in deutsche Sprache einführte. Vgl. die Studie von H. Bornkamm, Die religiöse und politische Problematik der Konfessionen im Reich, in: Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, hg. v. H. Lutz, a.a.O. (Anm. 8), 252-262; zum Wortgebrauch bes. 256.
  15. âIustitia vero hominis, ut eam Deus temporaliter honoret donis optimis huius vitae, tamen coram Deo larva est et hypocrisis impia.á (WA 39/1, 82, 21f. Alle weiteren Textbelege beziehen sich auf WA 39/1.)
  16. âIgitur non est respiciendum neque ad personam impii qui iustitiam operatur, neque ad pulchritudinem talis operis, sed ad incomprehensibilem tolerantiam et sapientiam Dei cá (82, 29-31)
  17. â...minus malum ferentis, ne maiore malo omnia subvertanturá (82, 32).
  18. âSimile videtur, ac si quis Princeps malum servum toleret, quem sine maiore periculo regni non possit occidereá (82, 27) Und: âSicut sapiens Magistratus civi malo et improbo interdum connivet et frui sinit civitate pro bono pacis publicae.á (3, 8f.) Das Beispiel aus der Heilkunst: âSicut vomica, claudicatio aut alius morbus in corpore insanabilis toleratur, necessitate vitae corporalis fovendae.á (82, 33f.)
  19. âQuin et cum Ecclesia et Sanctis suis in terra non dissimili tolerantia et bonitate agit. Ut quos et tolerat et fovet propter initium creaturae suae in nobis, deinde et iustos esse et filios regni decernit.á (83, 12-15)
  20. âOportet igitur certissimum distinctionem habere inter virtutem Dei et naostram, inter opus Dei et nstrum si volumus pie vivere.á (WA 18, 614)
  21. Vgl. zu den Toleranzkonzepten im Islam: R. Schulze, Toleranzkonzepte in islamischer Tradition, in: Kulturthema Toleranz, a.a.O. (Anm. 1), 495-513, dort auch umfassende Literaturangaben. In diesem Band vgl. bes. die Beiträge von Ernst Ludwig Ehrlich, Menachem Fisch, Rusmir Mahmutcehajic und Shlomo Fischer.

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